Keltische Kultur

(Auszug aus: Raimund Karl, Wien, "Einführung in die Keltologie")

"Die Entstehung der keltischen Kultur ist im Augenblick stark umstritten. Es gibt zwei hauptsächliche Theorien.

Die erste Theorie geht von einer Enstehung um ca. 750 vor Christus im Bereich der sogenannten westlichen Hallstattkultur aus. Zu dieser Zeit entstehen große Höhensiedlungen, häufig als "Fürstensitze" bezeichnet, die auf eine verstärkte Strukturierung der Gesellschaft und ein erhöhtes Repräsentationsbedürfnis der herrschenden Schicht oder der ganzen Bevölkerung hinweisen. Gleichzeitig werden auch besonders reiche Gräber unter Riesengrabhügeln angelegt, die oft als Fürstengräber interpretiert werden, und in denen sich Mitglieder der Oberschicht bestatten ließen.

Noch während dieser Zeitspanne kommt es auch zu einem verstärkten Kontakt mit dem Mittelmeerraum, vor allem durch die Gründung der griechischen Kolonie Massalia um 680 v.Chr. Von Massalia aus das Rhonetal hinauf findet nun ein Handel mit mediterranen Luxusgütern statt, die auf den Fürstensitzen und in den Fürstengräbern als Funde auftauchen und die darauf hindeuten, daß diese mediterranen Güter zumindest zum Teil auch als Statussymbole für diese herrschende Schicht dienten.

In diese Periode, die bis ca. 450 v.Chr. dauert, fallen auch die ersten historischen Nachrichten über Kelten. So berichtet uns Herodot, der große griechische Geograph des 6. Jhdts. v.Chr., daß im Hinterland von Massalia Völker lebten, die sich selbst als Kelten bezeichneten. Er spricht auch davon, daß sie an den Quellen der Donau, nahe einer Stadt namens Pyrene wohnen.

Die zweite, ältere Theorie (veraltete?) geht davon aus, daß sich die keltische Kultur erst entwickelte, nachdem die Hallstattkultur zu Ende war. Sie geht davon aus daß die keltischen Stämme, die bei Herodot erwähnt werden entweder eine spätere Interpolation darstellen, oder aber daß es sich abei um den "Eigennamen" der Stämme handelt, diese aber erst später das entwickelten was allgemein unter keltischer Kultur verstanden wird.

Diese Entwicklung setzen die Anhänger der zweiten These um 450 v.Chr., am Beginn der sogenannten Latenekultur, an. Zu dieser Zeit werden die meisten der "Fürstensitze" der Hallstattkultur niedergebrannt und auch die Sitte, "Fürstengräber" anzulegen, hört auf. Viele Forscher nehmen hier eine "soziale Revolution" an, die die vorkeltische Gesellschaft in eine keltische umwandelte, und gleichzeitig damit die Enstehung einer Kunstform, die die charakteristischen Elemente keltischer Kunst festlegt, die bis heute erhalten blieben. Diese Entwicklung findet vermutlich zuerst im Bereich zwischen Mittel-deutschland, Westböhmen, Westösterreich, Süddeutschland, der Ostschweiz und dem östlichen Frankreich statt."

Da vergleichende Untersuchungen der Hallstatt- und der La-Tenè-Kultur keinen plötzlichen, gewaltsamen, kulturellen Einbruch zeigen, scheint die erste Ansicht die Wahrscheinlichere zu sein. Trotz der in der Frühlatène einsetzenden Wanderungen stellten die Forscher fest, daß eine kontinuierliche Entwicklung ohne größere Brüche stattgefunden hat. Außerdem weist die hallstättische Gesellschaftsordnung nach dem Feudalprinzip deutliche Züge der späteren latenèzeitlichen auf, so wie sie Caesar sogar noch im 1. Jh. BCE für manche Stämme beschreibt. Dazu kommen die Funde im Raum der Golasecca-Kultur, die belegen, daß im 6. - 5. Jh. dort bereits Keltisch (hier genauer Lepontisch) gesprochen wurde. Kultur ist immer auch die Sprache eines Kulturkreises. Und die Hallstatt-Menschen sprachen eine Form des Keltischen. Ob und inwieweit die damaligen Sprachgrenzen mit den Kulturgrenzen deckungsgleich waren, können wir heute mangels datierbarer Sprachzeugnisse leider nicht mehr sagen.

Das Leben des typischen Kelten des Altertums war das eines Bauern.

"Der Haupterwerb des großteils der Bevölkerung dürfteaus dem Ackerbau und der Viehzucht gekommen sein. Auf den Feldern, die eventuell bereits in Dreifelderwirtschaft bestellt wurden, baute man Emmer, Einkorn, Weizen, Roggen, Gerste und Hafer sowie Ackerbohnen und andere Feldfrüchte. Der Großteil der Nahrung dürfte sich daraus und aus Milchprodukten zusammen-gesetzt haben.

Zusätzlich zu den Erträgen der Äcker und den Milchprodukten konnten auch die Tiere selbst als Nahrung dienen. Auf keltischen Siedlungen wurden bisher Rind, Schwein, Schaf und Ziege, Pferd, Hund und Huhn/Gans festgestellt, ergänzt durch Wildtierknochen von Rotwild, Wildrind, Wildschwein und Bär. Fischereierträge konnten bisher nicht direkt sondern nur durch die Funde von Netzsenkern für Fischernetze nachgewiesen, es ist aber anzunehmen, daß die Kost auch dadurch ergänzt wurde. Hauptsächliche Getränke waren wohl Wasser und Milchprodukte, im Herbst eventuell auch Fruchtsäfte und als primäres alkoholosches Getränk das Bier, für das uns aus dem altkeltischen mehr als 20 verschiedene Bezeichnungen wie Cervisia, Curmi und Curu bekannt sind."

Das Aussehen

Folgende Aussage wurde uns von Ammianus Marcellinus überliefert: "[...] aber sie sind
alle gleich gepflegt und sauber, und in jenen Landstrichen [...] sieht man keinen Mann und
keine Frau, selbst unter den Armen, ungepflegt und in Fetzen von Lumpen wie anderswo."
~ Ammianus Marcellinus, "Römische Geschichte", 15,12,1

Der keltische Mann

Die Kleidung der Männer bestand aus einer Hose, genannt Bracae, einem einfachen Hemd sowie einem wollenen Umhang, laut Plinius einem dünnen im Sommer und einem dicken im Winter, der Sagum oder auch Mantellum genannt wurde. Der Umhang wurde vor der Brust oder an der Schulter von einer oder mehreren Fibeln (eine unserer Sicherheitsnadel ähnliche Konstruktion) gehalten. Die Kleidung war mit Karo- und Würfelmustern verziert, sodaß sie vermutlich dem schottischen Tartan nicht unähnlich gesehen haben dürfte. Die Hose wurde von einem Gürtel gehalten, der im Fall von reicheren Personen mit einer metallenen Schnalle verziert sein konnte. Ebenfalls zu Ausrüstung gehörten Schnabelschuhe, die ebenfalls mit Metallschnallen verziert sein konnten. Je nach Reichtum und sozialem Stand trugen die Männer auch Schmuckstücke, vor allem Armringe aus Metall, Glas oder Stein, aber auch Finger- und Fußringe, und im Fall von Personen edler Abstammung auch den berühmten keltischen Halsring, den Torques.

Die Standardbewaffnung des keltischen Mannes war Speer, Gaesum genannt, Lanze, Lancea genannt und Schild, eventuell auch noch ein Waffenrock aus gestepptem Stoff oder Leder. Reichere Männer konnten sich auch ein Schwert leisten, wirklich reiche auch einen Helm und die Spitze der Gesellschaft trug als zusätzliche Verteidigungswaffe auch ein Kettenhemd. Während der frühen Zeit (5. bis 3. Jahrhundert), besaß der Krieger vermutlich auch noch einen Streitwagen, ab dann stiegen die kontinentalen Kelten auf Kavallerie auf Kosten des Streitwagens um.

Die keltische Frau

Die keltischen Frauen trugen vermutlich einen langen, bis kurz über den Knöchel reichenden Rock, ebenfalls ein einfaches Hemd und denselben Umhang wie auch die Männer. Auch sie benutzten eine oder mehrere Fibeln, um den Umhang an der Schulter oder vor der Brust zusammenzuhalten. Der Rock wurde auch von einem Gürtel gehalten, bei reicheren Frauen konnte er entweder auch einen elaboraten metallenen Gürtelhaken aufweisen, zu gewissen Zeiten gibt es sogar ganz aus Metall bestehende Gürtelketten. Auch Frauen trugen vermutlich Schnabelschuhe, ebenfalls bei reicheren mit metallenen Schnallen verziert, und ebenso wie die Männer nur in noch stärkerem Maß, Schmuck. Regelhaft kommen in Frauengräbern mehrere Armringe aus Metall, Glas und/oder Stein vor, ebenso gibt es häufig Finger- und Fußringe und häufig trugen auch Frauen einen Torques. Erst in der mittleren La Tenè scheint der Torques ein Statussymbol für Krieger zu werden."

Quelle: Raimund Karl, Wien, "Einführung in die Keltologie"